Kommen, schauen, staunen

Von außen macht der Schuppen am Bremerhavener Zolltor Rotersand nicht viel her – unter der Woche ist er trotz seiner roten Farbe eher langweilig. Doch an jedem Wochenende herrscht dort Hochbetrieb, wenn der Flohmarkt Rotersand stattfindet. Für Nostalgieliebhaber und Touristen ist ein Sonntagsbummel dort seit 31 Jahren beliebte Tradition.

Tausende Menschen drängen sich vor und in der Halle um Tapeziertische voller Dinge, die die Welt nicht (mehr) braucht. Der Flohmarkt Rotersand ist seit nunmehr 31 Jahren eine Institution in der Stadt. Mit fünf Ständen hat Betreiber Klaus Jochimsen angefangen: „Mittlerweile sind es regelmäßig 300 Stände, das hätte ich damals nie gedacht“, sagt er. Doch auch für jene, die nicht kaufen wollen, ist der Markt ein Muss. Denn die Halle ist Startpunkt einer Zeitreise zurück bis in die 30er Jahre.

Vom Experiment zum Erfolgsschlager
Für Klaus Jochimsen war es ein Versuch, als er 1985 den ersten Flohmarkt auf dem Parkplatz vor der Halle veranstaltete. Seit den 70er Jahren spülte eine Nostalgiewelle solche Märkte über Deutschland; mit ein paar Jahren Verzögerung kam sie auch nach Bremerhaven. „Der Anfang war ja überschaubar“, erinnert sich der damalige Gas- und Wasserinstallateur, der den Markt erst nebenbei betrieb.

Wann er den Hauptberuf an den Nagel hängen konnte, weiß Jochimsen nicht mehr so genau. Sicher ist, dass er 1987 den alten Hafenschuppen dazukaufte. Aus dem Ein-Mann-Betrieb wurde ein richtiges Unternehmen – Jochimsen beschäftigt heute 15 Angestellte.

Der Markt ist sich und seiner Atmosphäre in all den Jahrzehnten treugeblieben. „Das ist ein Flohmarkt für jedermann“, betont der Geschäftsmann. Hier gibt es keine Profi-Händler. Entsprechend niedrig hat er die Standpreise kalkuliert. Das spiegelt sich im Angebot wider: „Bei uns gibt es nichts, was es nicht gibt.“

Rollende Nostalgiewelle
Doch immer mehr Besucher kommen allein zumGucken und Staunen. Denn Jochimsen ist ein Jäger verborgener Schätze. Von der Beatles-Gitarre bis zum kompletten Karussell hat Jochimsen eine einzigartige Sammlung von Alltagsgegenständen aus sechs Jahrzehnten zusammengestellt, in der die Besucher auch nach wiederholten Entdeckungsreisen immer wieder Neues finden. Seine Quelle: Bremerhaven, das Umland – und London. Meistens kommt er mit tollen Errungenschaften aus der Welthauptstadt der Straßen- und Trödelmärkte zurück.

Letzte Haltestelle: Rotersand
Immer mehr wird der Markt zum Denkmal für die goldenen Zeiten in der Seestadt. Jochimsens Frau Natascha Schröder hat gerade in der Halle ein Café eröffnet, das einst den Ami-Markt auf dem Philippsfield bereicherte. Mit ihrem Kompagnon Heino Tietjen haben sie eine Nostalgie-Ecke eingerichtet, die mit Exponaten aus Tietjens Privatsammlung dem Norddeutschen Lloyd gewidmet ist. Selbst eine ausgediente Bremerhavener Straßenbahn schaffte es in die Halle. „Hab ich mir selbst zum Jubiläum geschenkt“, bemerkt der Sammler wortkarg, aber mit spürbarer Begeisterung. Wie viele solcher einzigartigen Exponate er hat, weiß Jochimsen selbst nicht. Aber er hat einen Tipp: „Kommen und anschauen.“

Der Flohmarkt ist ein Paradies für Trödelfans.
Maritim-exotisch geht es in den Hallen zu.
Klaus Jochimsen und seine Frau Natascha Schröder schufen ein Ausflugsziel, das nicht nur Bremerhavener gerne besuchen.