»Bis nächsten Mittwoch…«

Endlich mehr Zeit … zum Essengehen, Kartenspielen, Tanzengehen. Und doch fehlt es Seniorinnen und Senioren dann leider viel zu oft an der passenden Gelegenheit und – Gleichgesinnten. Um diese Lücke zu schließen, gibt es (auch) für die aktive Großeltern-Generation immer mehr Angebote im Bereich der Tagespflege.

Christa Bruns und vacanes-Geschäftsführer Jürgen Weemeyer.
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Zugegeben, der Begriff Tagespflege ist missverständlich, denn er klingt erst einmal nach Krankheit oder Handicap. Schließlich muss ein Pflegegrad vorliegen, damit die Kosten bezuschusst oder übernommen werden. Dabei ist das Konzept – auch dank entsprechend engagierter Träger – inzwischen so viel mehr als ein reines Hilfs- und Betreuungsangebot. Ein Besuch in den Räumen von vacances soll Klarheit bringen: Was ist dran am Klischee des „Seniorenheims für Tagesgäste“? Und was hat die Tagespflege mittlerweile konkret zu bieten?

Was ist Tagespflege eigentlich alles?
Vacanes-Geschäftsführer Jürgen Weemeyer klärt uns auf: „Wir bieten unseren Gästen an fünf Tagen in der Woche ein umfangreiches Aktivierungs-, Betreuungs- und Therapieangebot. Die Teilnehmenden entscheiden jedoch selbst, wie sie ihren Tag bei uns gestalten möchten: ruhig und entspannt, aktiv und mit viel Bewegung, kreativ, individuell, in kleiner Runde oder in der großen, bunten Gemeinschaft. Wichtig ist uns, dass Spaß, Freude und Zufriedenheit den Tagesablauf unserer Gäste bestimmen.“

Gerade kommt Christa Bruns aus Huchting herein. „Hallo und guten Morgen“, begrüßt sie die bereits Anwesenden. Mit ihr kommen weitere Gäste. Ein Shuttleservice sorgt für die sichere und verlässliche An- und Abreise in die Bremer Überseestadt. Auf ihrem Smartphone zeigt der Kalender, was heute geplant ist: ein Interview mit dem GEWOBA Magazin. Wie der Tag für sie bislang aussah? „Wir haben zusammen gekocht und Mittag gegessen. Ach, und einen Kuchen haben wir gebacken“, erzählt Christa Bruns und deutet auf ein Blech mit duftendem Kirschkuchen. An einem Tisch im „Wohnzimmer“ relaxen derweil drei Damen im lockeren Gespräch. Weiter hinten in dem großzügigen Raum hält ein Herr entspannt Mittagsruhe.

Freizeitclub mit Shuttleservice
Christa Bruns erzählt weiter: „Für mich ist der Besuch hier vergleichbar mit einem Freizeitclub, hier treffe ich immer wieder neue Menschen und inzwischen auch viele gute Bekannte, hier fühle ich mich wohl.“ Weiter berichtet sie, dass die Tagespflege anfangs für sie eher kein Thema war. Als langjährige Aktive bringt sie die Leute in ihrer Huchtinger Nachbarschaft bis heute zusammen. Seit 1989 organisiert Christa Bruns Bürgerinitiativen, leistet aktive Stadtteilarbeit und macht sich für Frauenrechte stark.

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Für mich ist der Besuch hier vergleichbar mit einem Freizeitclub, hier treffe ich immer wieder neue Menschen und inzwischen auch viele gute Bekannte, hier fühle ich mich wohl.

Christa Bruns

„Wenn man plötzlich nicht mehr laufen kann, in seiner Mobilität und seinen Wegen stark eingeschränkt ist, wirft einen das dann umso mehr aus der Bahn“, erinnert sich Christa Bruns. „So bin ich zur Tagespflege gekommen. Hier gehen wir zusammen spazieren, üben das Umgehen mit dem Rollator und weiteren Herausforderungen, die das Alter mit sich bringt. Gemeinsam ist das so viel einfacher als allein.“ Sie erklärt, dass man sich als normal mobiler Mensch kaum vorstellen konnte, was selbst das Einsteigen in den Bus für eine Barriere darstellen kann: „Dazu kommt die Angst, dass der geplante Weg möglichweise nicht zu schaffen ist. Und – was dann? Da bleiben dann viele lieber zu Hause und bewegen sich gar nicht mehr. Ein Teufelskreis im Hinblick auf den Erhalt der eigenen Bewegungsfreiheit.“

Gemeinsam statt einsam
„Was sind die besonderen Dinge, die Ihnen hier wichtig sind?“, fragen wir die 81-Jährige. „Die Gemeinschaft. Wir machen schöne Dinge, verschiedene Ausflüge zum Beispiel oder wir spielen Gesellschaftsspiele. Und – wir haben oft ähnliche Lebensläufe. Das verbindet und wir haben uns entsprechend viel zu erzählen. Für mich ist der Besuch der Tagespflege hier in der Überseestadt darum einfach eine Gelegenheit zum Treffen mit Freunden und Gleichgesinnten.“ Jürgen Weemeyer ergänzt: „Das Gefühl von Einsamkeit ist für viele Menschen gerade im Alter ein Dauerzustand, aus dem es gar nicht so leicht ist, wieder herauszufinden. Die Tagespflege bietet die Möglichkeit zur aktiven Teilhabe an einem ausgefüllten Sozialleben. Viele Lebenslinien sind parallel verlaufen oder Erfahrungen ähneln sich, da kann man herrlich in Erinnerungen schwelgen. Haben die heute Anwesenden bei James Last oder Boney M. in der Stadthalle getanzt, werden künftige Generationen sich im Alter an Wochenenden bei Rock-Festivals oder Tanznächte im Modernes erinnern“, schmunzelt Weemeyer. Jede und Jeder ist willkommen!

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Gerade bei persönlichen Einschnitten wie Krankheit, Rehabilitation oder Verlust kann die Tagespflege Hilfe,
Stütze & Wegbegleiterin sein.

Jürgen Weemeyer

Alle, die möchten, sind Teil der vielseitigen Aktivitäten, unabhängig von eventuellen Einschränkungen, nach diesem Prinzip werden das Programm und eventuelle benötigte Utensilien geplant und vorbereitet. Nur so kann – dank Bingokarten in XXXL – auch eine Dame mit starker Sehschwäche problemlos mitspielen.

Neben beliebten Aktionen, die regelmäßig auf dem Programm stehen, lässt sich das engagierte Tagespflege-Team immer wieder etwas Neues einfallen und geht natürlich auch auf die Wünsche der Gäste ein, erzählt Jürgen Weemeyer begeistert. „Das Ergebnis ist die gut gelaunte, vertrauensvolle Atmosphäre, die man, wie ich finde, schon beim Hereinkommen spürt. Eine Tatsache, die in erster Linie den Mitarbeitenden zu verdanken ist.“

„Was empfehlen Sie Interessierten, um das richtige Angebot für sich oder betroffene Angehörige zu finden?“, möchten wir wissen. „Einfach mal hingehen und kennenlernen“, antwortet Christa Bruns direkt. Jürgen Weemeyer pflichtet bei: „Ja, fast überall gibt es offene Schnuppertage, an denen sich Interessierte so ein Tagesprogramm einmal anschauen können.“

„Wobei ist das ‚System Tagespflege‘ die größte Hilfe?“, fragen wir. „Gerade bei persönlichen Einschnitten wie Krankheit, Rehabilitation oder Verlust kann die Tagespflege Hilfe, Stütze und Wegbegleiterin sein“, erklärt Weemeyer. „Darüber hinaus ist das soziale Leben in Gemeinschaft eines der besten Mittel, um möglichst lange geistig und körperlich aktiv zu bleiben.“

Nach einem gemeinsamen Nachmittag bei Kaffee und Kirschkuchen verabschiedet sich die erste Gruppe Gäste. Zufrieden geht es ganz entspannt Richtung Shuttlebus. Und nett wird sich verabschiedet, wie in einem Freizeitclub eben: „Bis nächsten Mittwoch dann.“

Info
In allen Stadtteilen gibt es Angebote für Tagespflege-Programme verschiedener Träger. Der Besuch wird von der Pflegekasse übernommen oder bezuschusst.

Alter, Krankheit oder körperliche bzw. geistige Einschränkungen können dazu führen, dass Menschen in ihrem Alltag auf Hilfe angewiesen sind. Die Pflegegrade von 1 bis 5 regeln mit Abstufungen, welche Leistungen Menschen von der Pflegeversicherung erhalten.