Hier liegt mir Bremerhaven zu Füßen

Schon als Mädchen hört Marion Rzondkowski den Ruf des Meeres! Beim GEWOBA-Hausbesuch erzählt die heute 75-Jährige, wie in ihrer neuen Heimat Bremerhaven nun beinahe schicksalhaft alle Fäden zusammenlaufen.

Viel Holz und weiß mit tollen Farbtupfern in gelb und blau geben der lichtdurchfluteten Wohnung den Wohlfühl-Look.
23-02-24_Gewoba-62
Die Weitsicht möchte sie nicht mehr missen.
23-02-24_Gewoba-22
23-02-24_Gewoba-40
Neben maritimen Dekostücken sammelt Marion Rzondkowski Elefanten – als Symbole für Glück.
23-02-24_Gewoba-97

In dem zwölfstöckigen GEWOBA-Bau in Bremerhaven Geestemünde leben 96 Parteien, acht auf jeder Etage. Mit dem Einzug ins oberste Stockwerk erfüllt sich für Rentnerin Marion Rzondkowski einen Lebenstraum, denn nun endlich blickt sie jeden Tag hinaus aufs Meer.

MEER GEHT NICHT
Die Drei-Zimmer-Wohnung in der Bremerhavener Boschstraße ist die erste, die die Rentnerin 2019 besichtigt. „In dem Moment, als ich aus dem Fahrstuhl stieg, machte mich die Aussicht sprachlos“, beschreibt Marion Rzondkowski. „Damit war für mich praktisch auf Anhieb klar, dass ich die Wohnung nehme.“ Und – es kommt noch besser, denn auch aus Esszimmer, Küche und Wohnzimmer genießt sie einen unverstellten Blick. Das Hochhaus überragt die umstehenden Häuser um mehrere Meter und gibt den Blick frei auf die atemberaubende Skyline Bremerhavens.

Für die Rentnerin ein wahrgewordener Traum, denn seit sie denken kann, fühlte sie sich dem Meer verbunden, möchte am liebsten zur See fahren. Marion Rzondkowski: „Das war für Mädchen damals natürlich nicht vorgesehen, also machte ich stattdessen eine Ausbildung im Büro, heiratete früh und bekam vier wundervolle Töchter. Aber die Sehnsucht nach der Seefahrt begleitete mich mein ganzes Leben.“

EINRICHTUNG, AHOI!
Und so ging dann plötzlich alles ganz schnell und der Umzug passierte in gerade einmal drei Tagen. Für Marion Rzondkowski einer der aufregendsten Momente überhaupt. „Das hier ist tatsächlich das erste Zuhause nur für mich allein“, erzählt die Rentnerin. „Endlich kann ich mich einrichten und leben, wie ich will – und dazu auch noch dekorieren, was das Zeug hält.“

Von hier oben liegt uns Bremerhaven zu Füßen oder wie mein Mann es nannte: seine Seemannsprärie!

Marion Rzondkowski

Apropos: Dekoriert hat die gelernte Kauffrau und Altenpflegerin ihre 54 Quadratmeter konsequent maritim. Bereits im Eingangsbereich finden sich zahlreiche Foto- und Postkartenmotive mit Leuchttürmen, Segelschiffen und schäumender Brandung. Darunter fungiert eine alte Schiffsplanke als praktische Wandablage.

BLICKRICHTUNG: SEEMANNSPRÄRIE
Funktional eingerichtet ist hingegen die helle, schlauchförmige Küche mit extra viel Arbeitsfläche und Stauraum. Was ins Auge sticht: An der Wand rechts neben dem Fenster hängt ein Foto ihres 2011 verstorbenen Mannes Franz, den Blick in Richtung Hafenviertel gewandt. Marion Rzondkowski: „Von hier oben liegt uns Bremerhaven zu Füßen oder wie mein Mann es nannte: seine Seemannsprärie!“

Die Wohnung ist der perfekte Ausgangspunkt für Fahrradtouren, denn dunkle Wolken sieht man von hier oben, lange bevor es regnet. Bei klarer Sicht kann Frau Rzondkowski die Masten der im Hafen liegenden Schiffe zählen und am Abend das Lichterspiel gigantischer Kreuzfahrtschiffe beim Auslaufen bewundern. Steht der Wind gut, hört man sogar die Musik vom Fischereihafen, und wenn Marion Rzondkowski will, ist sie mit dem Fahrrad in gerade einmal vier Minuten mittendrin.

TYPISCH OMA, ODER?
Im Wohnzimmer macht es sich Frau Rzondkowski auf dem karierten Ohrensessel bequem, schaut fern oder strickt. Ruhige Momente wie diese sind jedoch selten, denn der Kalender der Rentnerin ist übervoll mit Terminen rund um ihr Ehrenamt in der „Schiffergilde Bremerhaven e. V.“ Diese kümmert sich unter anderem um den Erhalt und Betrieb des „Finkenwerder Fischkutters ASTARTE“, einem Segler aus dem Jahr 1903. Der liegt an der Steganlage der Schiffergilde am Neuen Hafen der Seestadt und seit nunmehr vier Jahren gehört Marion Rzondkowski zur ehrenamtlichen Stammbesatzung, hilft bei der Instandhaltung und ist zu Ausbildungs- und Mehrtagestörns auf der Nord- und Ostsee dabei. Kurzum: Der eigentliche Grund für ihren Umzug ist ein Schiff. Doch zurück auf Anfang.

23-02-24_Gewoba-73
Die Astarte hat sie nach Bremerhaven gelockt.
23-02-24_Gewoba-193
Die kreative Bar mit edlen Tropfen.
23-02-24_Gewoba-88

VERLIEBT IN EINEN ZWEIMASTER
Der neueste Lebensabschnitt von Marion Rzondkowski beginnt mit einem Geschenk zum 70. Geburtstag: einem Gutschein für einen dreitägigen Helgoland-Törn an Bord der ASTARTE – und eben der veränderte das Leben der Rentnerin von Grund auf. „Als ich den Fuß auf die Planken dieses Schiffes setzte, musste ich vor Freude weinen“, erinnert sich Marion Rzondkowski: „Denn es fühlte sich sofort richtig an, als sei ich endlich angekommen. Kennen Sie das, wenn Sie einen Stein ins Wasser werfen und das Wasser daraufhin Kreise zieht, die immer größer und größer werden? So empfinde ich mein Leben.“ Denn: Nach diesem ersten Trip wird die damals 70-Jährige Mitglied der Schiffergilde.

Auf dem 120 Jahre alten Fischkutter packen alle mit an und so steht die 75-Jährige mal in der Kombüse, mal mit vor Aufregung klopfendem Herzen an der Pinne und hilft sogar beim Segel setzen. Beinahe ein Jahr pendelt sie dazu mit dem Zug zwischen Bremen-Nord und der Seestadt, bis sie den Entschluss zum Umzug nach Bremerhaven fasst.

DIE SEGEL SIND (NEU) GESETZT
Was sie seither besonders genießt, ist das „Marion“ sein, denn der Neuanfang bietet ihr die Gelegenheit, sich völlig neu zu (er-)finden und zu tun, was immer ihr gefällt. Dazu gehört, dass es auch mal spät wird, sie spontan ins Theater geht oder für den Sportboot-Führerschein büffelt, denn Marion Rzondkowski möchte mitreden können, verstehen, worüber sich die Nautiker an Bord unterhalten.

Keine Kompromisse mehr
Den Tag Revue passieren lässt sie im Schlafzimmer. Hier ragt das Bett aus der hinteren rechten Ecke ungewohnt schräg in den Raum hinein. Auf die Frage nach dem Warum erzählt Marion Rzondkowski: „Die ersten Nächte habe ich hier auf einer Luftmatratze geschlafen. Als ich eines Morgens aufwachte, lag sie exakt so, wie heute mein Bett steht. Und ich hatte so gut geschlafen wie noch nie.“ Das Bett – Sinnbild einer Lebenseinstellung, die Marion Rzondkowskis neuen Lebensabschnitt prägt, denn sie hat die Nase voll von Kompromissen.

Hier und jetzt beginnt mein Leben von Neuem. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, alles Vorherige hat mich gezielt hierhin geführt.

Marion Rzondkowski

Sie schwärmt vom Leben im „gestapelten Dorf“, das so gar nichts von der viel zitierten Anonymität des Wohnens im Hochhaus hat: „Hier wird immer freundlich gegrüßt, jüngere Bewohner helfen den älteren beim Tragen der Einkäufe und ich habe sehr schnell Kontakte geschlossen und neue Freunde gefunden.“

In den wenigen ruhigen Momenten zu Hause genießt Marion Rzondkowski genau das; die Ruhe. Einsam fühlt sie sich dabei tatsächlich nie. Sie schwärmt vom Zusammenhalt ihrer Familie und davon, dass Entfernung auch Nähe stiften kann, denn der Besuch „bei Oma“ ist nunmehr ein echtes Event. Das „Schiffegucken“ gehört längst zum Standard-Programm, genauso wie das anschließende Kaffeetrinken. Zu diesem Zweck hat Marion Rzondkowski das kleinste Zimmer der Wohnung in ein Esszimmer verwandelt. Dank einer platzsparenden Bank haben hier bis zu zehn Personen Platz. Aus gutem Grund, denn zu ihren vier Töchtern mit Partnern gesellen sich mittlerweile acht Enkel und eine Urenkelin.

ES PASSIERT, WAS PASSIEREN SOLL
Über das, was sie in Zukunft noch machen und erleben will, führt die Rentnerin über lange Zeit eine Liste, träumt vom Vollmond auf Bornholm und dem Schreiben eines Buches. Heute ist sie sich sicher, dass sich alles fügt, was sich fügen soll. „Hier und jetzt beginnt mein Leben von Neuem. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, alles Vorherige hat mich gezielt hierhin geführt. Es passiert, was passieren soll. Und bis dahin genieße ich es sehr, einfach zu tun, wonach mir gerade ist.“

„Hier schlafe ich wie im 7. Himmel.“
Am großen Tisch im Esszimmer kommt die Familie zusammen oder wird die Post erledigt.