»Ich bin auf dieser Welt, um mein Leben den Toten zu widmen.«

Schon in jungen Jahren entscheidet sich die Bremer Kulturwissenschaftlerin Cordula Caspary ganz bewusst für ein Leben mit dem Tod. Seit mittlerweile 26 Jahren arbeitet sie als Bestatterin. Wie es dazu kam und was sie bis heute an ihrer Arbeit liebt, erzählt sie im Gespräch mit dem GEWOBA Magazin.

Was war das für ein Moment, als Sie den Entschluss fassten, Ihr Leben dem Tod zu widmen?
Cordula Caspary: In meinem Studium der Kulturwissenschaften – genauer in einer Vorlesung zum Thema Begräbniskultur – habe ich verstanden, wie ungemein zentral der Umgang mit Verstorbenen für eine Kultur ist. Wichtig dabei ist aus meiner Sicht ein tiefer Respekt vor Körper und Geist. Diesen Respekt empfinde auch ich für jeden Menschen als wundervolles einzigartiges Geschöpf. Da wusste ich einfach – das will ich tun, das kann mein Beitrag auf dieser Welt sein.

Vorbereitungen in der Kirche auf dem Riensberger Friedhof

Um Bestatterin zu sein, braucht es also so etwas wie eine Berufung?
Cordula Caspary: 
Um eine Bestatterin wie ich zu sein, vermutlich ja. Jemand sagte mal zu mir, ich sei mehr Herz- als Handwerkerin und ich glaube, das trifft es. Wenngleich mir der handwerkliche Teil an meinem Beruf auch sehr gut gefällt, liebe ich am meisten den Umgang mit den Menschen und ich sehe es als meine Aufgabe an, den letzten Weg in ihrem Sinne zu begleiten und auszurichten, denn das Menschsein hört ja mit dem Tod nicht auf.

Woher nehmen Sie Ihre Sicherheit, was wirklich im Sinne des verstorbenen Menschen ist?

Cordula Caspary: Manche sagen es mir. Das sind zum einen Menschen, die erkrankt sind, die das Gespräch mit mir suchen, zum anderen aber auch die, für die die Planung der eigenen Beisetzung schlicht zum Leben dazu gehört. Kenne ich die verstorbene Person nicht, finde ich im Gespräch mit den Angehörigen heraus, was passt und was eben nicht. Ich höre also zu, lausche auf Zwischentöne, frage nach und mache konkrete Vorschläge. Gerne führe ich die Gespräche in der Wohnung der verstorbenen Person und bekomme dort einen Eindruck, wie dieser Mensch gelebt hat

Wie konkret begegnen Sie der Angst vor den Themen Sterben und Tod?
Cordula Caspary: Ganz wichtig zu wissen ist, dass diese Angst grundsätzlich ein Teil des Lebens ist und alle Menschen sie spüren. Ob es nun um die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod oder dem eines uns nahestehenden Menschen geht. Sich dieser Angst zu stellen und herauszufinden, was mir in dieser Angst hilft, unterstützt im Umgang mit ihr. Sehr oft geht es um innere Bilder, zum Beispiel Vorstellungen für die Zeit der Bestattung, die Angst machen. Diese kann ich oft durch Informationen oder Ideen nehmen.

caspary

Es ist sehr tröstlich die Dinge so zu tun, wie sie für die verstorbene Person richtig sind.

Cordula Caspary

Was können das für Bilder sein?

Cordula Caspary: Wer zu Lebzeiten niemals auf dem Rücken schlief, ist vielleicht erleichtert, zu wissen, dass wir Verstorbene auf Wunsch auch auf der Seite betten. Gefällt mir die Vorstellung nicht, von mir fremden Menschen gewaschen oder überhaupt berührt zu werden, muss dies nach meinem Tod auch nicht geschehen. Darüber hinaus geht es um die Klärung von Fragen wie: In welcher Kleidung fühle ich mich wohl, darf ich auch nackt in Blumen gebettet beerdigt werden, wünsche ich mir mein Kuscheltier als Begleiter oder ängstigt mich die Enge eines rundum geschlossenen Sarges? Darf ich die Urne selbst gestalten, kann meine Asche einfach irgendwo verstreut werden, darf die Trauerfeier auch an einem Ort außerhalb des Friedhofes stattfinden? Tatsache ist, es gibt wenig, das nicht realisierbar ist. Und selbst in einem solchen Fall finden sich Kompromisse. Alles in allem ist es sehr tröstlich, die Dinge so zu tun, wie sie für die verstorbene Person richtig sind.

Klingt nach sehr vielen Dingen, die bedacht werden müssen. Wie viel Einsatz wird dabei von den Angehörigen gefordert?
Cordula Caspary: Oh, es gibt nichts, was man tun muss. Manche Angehörigen sind froh, wenn sie etwas zu tun haben und so weiter eine Verbundenheit zu der verstorbenen Person spüren. Ins Tun zu kommen, hilft auch ungemein gegen das Gefühl der Ohnmacht, das wir angesichts des Todes spüren. Andere sind dankbar, wenn wir sämtliche Planungen und Formalien übernehmen. Wir nehmen darum das ab, was die Zugehörigen nicht selbst tun möchten, und helfen ihnen dabei, selbst Anteil zu nehmen, wenn ihnen das wichtig ist.

Wie fühlt es sich an, jeden Tag mit Trauernden konfrontiert zu sein?

Cordula Caspary: Zunächst einmal ist Trauer oder auch der Umgang mit dem Tod individuell sehr verschieden. Manche Menschen weinen, andere tun das nicht oder nur für sich allein. Wieder andere wollen sich von der Seele reden, was sie der verstorbenen Person nie haben sagen können. Für all das biete ich Raum und unterstütze beim Loslassen und beim Erinnern. Ich mag es, wie verschieden Menschen sind. Natürlich fühle ich durchaus mit, trauere aber nicht selbst. Das ist für mein Gegenüber auch eine Entlastung.

Hatten Sie persönlich bereits mit den Themen Sterben und Tod zu tun?
Cordula Caspary: Ja. Mein Vater starb früh, ein Freund nahm sich das Leben und eine Freundin wurde ermordet, da war ich gerade einmal ein Teenager. Und ich sprang auch selbst dem Tod von der Schippe. Mit neun ertrank ich in einem Badesee und hatte dabei ein Nahtoderlebnis. Das Gefühl, an das ich mich erinnere, war tröstlich und tatsächlich richtig schön, dann wurde ich von einer Rettungsschwimmerin wiederbelebt. Weiter ging es, als mein Verlobter unheilbar krank wurde und an meiner Seite starb. Da war ich 22.

Klingt alles in allem sehr traumatisch.
Cordula Caspary: Ohne Frage. Und doch glaube ich, ohne allzu spirituell klingen zu wollen, ich habe all das erlebt, weil ich auf dieser Welt bin, um mein Leben den Toten zu widmen – auf die denkbar beste Art und Weise, im Sinne und aus Respekt gegenüber den jeweils wundervoll einzigartigen Menschen, die wir alle sind. Ich habe meinen Traumberuf gefunden, lebe in all dem sehr gerne und lache trotzdem – oder gerade wegen meiner Erfahrungen mit dem Tod gerne und oft, denn all das ist das Leben.

Auch die Blumendeko stellt sie im Sinne der verstorbenen Person zusammen
Tröstlich: Ein Abschied in guten Händen

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