„Bei uns sind Sie mit jedem Problem an der richtigen Adresse!“

Gegründet 1982 ist das Netzwerk Selbsthilfe Bremen-Nordniedersachsen e. V. die Anlaufstelle für Ratsuchende und Ehrenamtliche in Bremen und umzu. Wann und wie das Netzwerk konkret hilft, erklären Geschäftsführerin Sabine Bütow und Imke Boidol, Organisatorin des diesjährigen „Selbsthilfetages“, im GEWOBA-Gespräch.

Für wen und wann macht Selbsthilfe Sinn?
Sabine Bütow: Kurz gesagt, wann immer Sie oder ein Ihnen nahestehender Mensch in eine Krise geraten, sei es durch eine Diagnose, Trennung, Jobverlust, den Tod eines lieben Menschen, Sucht, Burn-out oder auch die enorme Belastung bei der Pflege eines Angehörigen. Zusammengefasst: Wann immer Sie das Gefühl haben: „Alleine weiß ich nicht weiter“.

Kurz – Sie kennen Wege aus jeder Krise?
Bütow: Wege ja, wenngleich auch nicht den Weg. Wichtig jedoch ist, dass Sie bei uns mit jedem Problem an der richtigen Adresse sind! Ob und wo sich passende Gruppen finden beziehungsweise welche alternativen oder ergänzenden Wege es für Sie und Ihre individuellen Bedürfnisse und Voraussetzungen gibt, besprechen wir in der Regel während eines persönlichen Gespräches. Wer den direkten Kontakt zunächst scheut, dem hilft oft schon die simple Schlagwortsuche in unserem Gruppen-Verzeichnis unter www.selbsthilfe-wegweiser.de beim Finden eines passenden Angebotes.

Was kann ich als Freund*in oder Angehörige*r eines Betroffenen tun?

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Jeder darf alles sagen, aber nichts verlässt den Raum.

Imke Boidol, Organisatorin des diesjährigen „Selbsthilfetages“

Imke Boidol: Auch für sie sind die meisten Gruppen offen. Tatsache ist: Niemand ist alleine krank – nahestehende Menschen sind immer mitbetroffen. Von den Kliniken allerdings werden Angehörige kaum entsprechend begleitet. Erst in der Selbsthilfe erfahren Sie, wie wichtig es ist, sich positiv abzugrenzen. Der respektvolle Austausch in der Gruppe gibt neue Impulse, hilft mit belastenden Situationen besser umzugehen sowie auch Diagnosen und Verhaltensweisen der Betroffenen nachzuvollziehen und so künftig noch gezielter helfen zu können.

Gibt es Voraussetzungen zur Teilnahme an den Gruppen?
Boidol: Neben der generellen Einsicht „Ich habe ein Problem“ muss die Bereitschaft bestehen, Hilfe annehmen zu wollen und sich auch selbst in die Gruppe einzubringen. Die oberste Regel aller Gruppen lautet: Jeder darf alles sagen, aber nichts verlässt den Raum – ein wertschätzender Umgang den anderen Teilnehmenden gegenüber vorausgesetzt. Wichtig zu wissen ist auch: Bei Erkrankungen kann Selbsthilfe nicht die eigentliche Therapie ersetzen, wohl aber sinnvoll ergänzen, zum Beispiel mit vielfältigen Strategien zur Alltagsbewältigung.

Gibt es Bereiche, in denen die Nachfrage nach Selbsthilfe derzeit besonders stark wächst?
Boidol: Auffällig ist, dass neben klassischen Selbsthilfe-Themen wie beispielsweise Alkoholismus der Bedarf an Angeboten rund um das Thema „Depression“ kontinuierlich steigt. Darüber hinaus gilt: Die brennendsten gesellschaftlichen Probleme spiegeln sich immer auch in der Selbsthilfe.

Erkennen Sie da einen Bedarf an neuen Angeboten, ergänzend zur klassischen Selbsthilfe?

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Wir haben das bundesweit erste Selbsthilfe-Angebot für Migrant*innen erarbeitet.

Sabine Bütow, Geschäftsführerin Netzwerk Selbsthilfe Bremen-Nordniedersachsen e. V.

Bütow: Immer wieder, ja. Was wir dann tun, ist, Lösungen für diese „neuen“ Probleme zu suchen und gezielt Projekte auf den Weg zu bringen. Wir haben beispielsweise das bundesweit erste Selbsthilfe-Angebot für Migrant*innen erarbeitet, jeweils in enger Zusammenarbeit mit engagierten Muttersprachlern. Neu ist auch das Thema Sucht-Selbsthilfe für Menschen mit geistiger Behinderung, die in den klassischen Gruppen einfach nicht wirklich gut aufgehoben waren.

Die meisten Selbsthilfe-Angebote basieren auf freiwilligem Engagement – was, wenn ich helfen will, aber keine konkrete Idee habe, wie?
Bütow: Wer helfen will, ruft einfach an! In einem persönlichen Gespräch finden wir schnell ein passendes Angebot. Ganz aktuell suchen wir beispielsweise Ehrenamtliche, die in Bremen-Nord „Zeit schenken“.

Worum geht es dabei?
Bütow: Darum, einen Pflegebedürftigen, der im heimischen Umfeld versorgt wird, Gesellschaft zu leisten, zu quatschen, zuzuhören, gemeinsam fernzusehen oder Spiele zu spielen. Denn Austausch, Abwechslung oder schlicht ein offenes Ohr vermissen die Betreffenden tatsächlich mit am meisten. Überdies ist es natürlich auch für die pflegenden Angehörigen eine Entlastung und unseren Ehrenamtlichen bedeutet diese Aufgabe immerhin so viel, dass die meisten über viele Jahre dabeibleiben.

Zusammewngefasst – was alles kann Selbsthilfe konkret leisten?
Boidol: Die Selbsthilfe ermöglicht Kontakte zu anderen Betroffenen, informiert, zeigt Alltagshilfe auf, macht in Krisensituation Mut, stärkt und bietet ganz einfach immer wieder ein offenes Ohr. Und allein das ist heutzutage bereits Gold wert.

Das Netzwerk Selbsthilfe e.V.
Das Netzwerk Selbsthilfe e. V. berät Hilfesuchende aus Bremen und umzu stets vertraulich und kostenlos und hilft beim Finden passender Selbsthilfe-Angebote und/oder vermittelt weiterführende Kontakte. Darüber hinaus unterstützt das Netzwerk bei Gruppen- oder Vereinsgründungen sowie bei der Begleitung und Schulung von (ehrenamtlich) Verantwortlichen. Im Verzeichnis des Selbsthilfe-Wegweisers finden sich derzeit über 700 Gruppen mit rund 20.000 Mitgliedern und gut 1.500 ehrenamtlich Engagierten.

KONTAKT
Netzwerk Selbsthilfe – Bremen-Nordniedersachsen e. V.
Faulenstraße 31, 28195 Bremen
ÖPNV: Haltestelle „Radio Bremen/VHS“
0421 70 45 81
info@netzwerk-selbsthilfe.com
www.netzwerk-selbsthilfe.com
www.selbsthilfe-wegweiser.de