Wände in sonnigem Gelb, ein strahlendes Lächeln im Doppelpack und das Schwanzwedeln eines quirligen Shih Tzu empfangen uns im Eingangsbereich der Familie Templin-Klein. Die barrierefreie Drei-Zimmer-Wohnung im zweiten Obergeschoß des Acht-Parteien-Hauses bewohnt das Paar seit Oktober 2019, zusammen mit ihrer 6-jährigen Hündin Nele.
Im Flur gibt ein offener Durchgang den Blick frei auf den großen, lichtdurchfluteten Wohnraum mit offener Küche. Vor der bodentief verglasten Fensterfront: der Schlafplatz von Hündin Nele, dahinter der herrlich ruhig gelegene Balkon, den das Paar liebevoll dekoriert und üppig bepflanzt hat. Gegenüber der Fensterfront erstrahlt die Wand hinter der Küchenzeile in einem satten Feuerwehrrot. Gekocht wird hier gerne und „alles, was schmeckt“, zubereitet von Hausherrin Joepje.
Weitere Akzente in Rot setzen die floral gemusterten Vorhänge sowie die Kopfstützen-Bezüge des beigefarbenen Ledersofas – dem Lieblingsplatz des 69-Jährigen. Als Hingucker fungiert das gestreifte TV-Sideboard in den Farben Rot, Pink und Orange. Das übrige Mobiliar in Weiß und Beige ist passend ausgewählt zum hellen Holzton des pflegeleichten Vinylbodens. Wer in Sachen Einrichtung den Ton angibt? „Wir beide“, erklärt Kalle entschieden, „der einzige Unterschied ist, dass es mir irgendwann gefällt, wie es ist. Und das auf Dauer. Joepje dagegen hat immer wieder neue Ideen. Der Vorteil: So wird es garantiert nie langweilig.“
Die Wände in Vollton-Farben waren Kalles Wunsch. (lacht) Unser Hausmeister war geschockt! Ich finde, es passt zu uns.
WIE ALLES BEGANN
Nicht gesucht, aber gefunden haben sich die gebürtige Holländerin Joepje Klein und der Brinkumer Kalle Templin im Jahr 1997. Joepje: „Ich lebte damals schon länger in Deutschland und eine Freundin von mir hatte Kalle in der Kartei ihrer Partnervermittlung. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits seit sieben Jahren von meinem ersten Mann getrennt und eigentlich alles andere als auf der Suche, aber meine Freundin überredete mich hartnäckig zu einem Treffen mit ihm. Gut so, denn nur ein Jahr später haben wir geheiratet.“ Zur so entstandenen Patchwork-Familie gehören mittlerweile – neben den zusammengerechnet vier Kindern aus vorangehenden Beziehungen – acht Enkel und zwei Urenkel im Alter zwischen vier und 21 Jahren. Ein bunter Haufen, verteilt auf Bremen und umzu, der das Paar an ihr Zuhause bindet, wohin es sie auch verschlägt.
EINMAL AUSWANDERN & ZURÜCK
Der bislang weiteste Weg führte die beiden rund 7.500 Kilometer Luftlinie von Bremen entfernt an die afrikanische Elfenbeinküste, genauer nach Ghana. Der Trip im Jahr 2003, gedacht als gemeinsamer Ausstieg und Neuanfang, entsprang der Idee von einem anderen, sinnstiftenden Leben. Ein Experiment, das misslingt. Nach rund sechs Monaten treten die beiden die Heimreise an. Ernüchtert, aber um ein unvergessliches Abenteuer reicher. Joepje erzählt: „Das Problem war unter anderem die komplett unterschiedliche Mentalität, das Leben von einem Tag zum nächsten, das Fehlen von Verbindlichkeit. Das alles kostete uns mehr Kraft als gedacht. Trotzdem sind wir froh und dankbar, dass wir den Mut hatten und diese Erfahrung machen durften.“
AUF GROSSER FAHRT
Zurück in Bremen wartete Abenteuer Nummer zwei – der berufliche Neustart in der zweiten Lebenshälfte. Und: das Leben im Führerhaus eines Lkws. Joepje erinnert sich: „Der Plan vom Lkw fahren entstand während eines Abends in der Kneipe. Ich beobachtete, wie Kalles Augen strahlten, während ein Fahrer von seinem Job erzählte. Für uns ein Abenteuer, das zu uns passte. Und für mich ein guter Grund, auch mit 50 noch den Führerschein zu machen.“ Von da an fahren die beiden fünf volle Jahre als Doppelbesatzung europaweite Lkw-Touren und sind in der Anfangszeit bis zu vier Wochen am Stück unterwegs – entspannte Wartezeiten bis zur Nachbeladung inklusive. „Eine tolle Zeit“, schwärmt darum auch Kalle Templin, der nach dem gesundheitsbedingten Ausstieg der damals 61-jährigen Joepje noch bis 2021 weiterfuhr – dann jedoch nur noch auf kurzen Touren innerhalb Deutschlands.
Die schönste Erinnerung ans gemeinsame Fahren? „Das Zusammensein“, sagt Joepje mit einem liebevollen Blick auf ihren Mann, „das haben wir immer sehr genossen.“
ENDLICH ANGEKOMMEN
Neben dem rollenden Zuhause gibt es wechselnde feste Adressen in Bremen-Farge und der Neustadt. So richtig angekommen fühlen sich Joepje und Kalle dann aber erst im Oktober 2019 – mit ihrem Umzug in das Neubaugebiet Lesum-Park. Kalle Templin: „Wir hatten fast vergessen, dass wir uns um eine Wohnung dort beworben hatten, denn das Projekt war ja noch nicht bezugsfertig und existierte für uns nur auf dem Papier. Als dann der Anruf kam, war die Vorfreude umso größer.“ Warum? „Wir hatten die Nase voll von Kompromissen! Wir wollten endlich ankommen in einem Zuhause, das auch im Rentenalter noch zu uns passt“, erklärt Kalle Templin. „Und das ist im Lesum-Park definitiv gegeben.“
Bei der Besichtigung überzeugen die lichtdurchfluteten Räume, der Aufzug und die große, bodengleiche Dusche im geräumigen Bad, dessen Wände heute in leuchtendem Blau gestrichen sind.
Links vom Bad, das weiß möblierte Schlafzimmer mit großem Kleiderschrank und – auch bei schlechtem Wetter – einem Platz zum Spazieren auf dem elektrischen Laufband. Vor dem Fenster tanzen die Federn eines Traumfängers im Wind. Eine Tür weiter: „Joepjes Reich“, ein gemütlich eingerichtetes Zimmer mit Relaxsessel, Flachbild-TV sowie einer eigenen Näh- und Bastelecke, denn beim kreativen Werkeln schaltet die 70-Jährige am allerbesten vom Alltag ab.
Am Leben im Stadtteil gefällt dem Ehepaar Templin-Klein das viele Grün, die kurzen Wege und die nette, unkomplizierte Nachbarschaft. Und – für eben diese Nachbarschaft möchten die beiden nun auch aktiv etwas tun.
GEMEINSAM – STATT EINSAM
Die erste konkrete Aktion starteten Kalle und Joepje im Herbst 2022. „Inspiriert von einer ähnlichen Veranstaltung der Vahrer Löwen wollten wir in unserer Nachbarschaft ein zwangloses Begegnungsangebot für sonst eher einsame Seniorinnen und Senioren schaffen“, erinnert sich Joepje, „also sprach ich die GEWOBA und den mobilen Sozial- und Pflegedienst vacances an. Und die waren sofort dabei! Seither veranstalten wir alle drei Wochen ein Frühstück in einem Raum von vacances, den wir fußläufig erreichen können, mit einer mittlerweile festen bunten Truppe von rund 24 Personen.“
Wir wollten endlich ankommen in einem Zuhause, das auch im Rentenalter noch zu uns passt.
Zu den nächsten Ideen gehören ein Sommerfest zum Kennenlernen und Kontaktknüpfen im Quartier sowie ein Rollator-Training, für das Joepje noch nach passenden Unterstützern sucht. Das Ziel: Bewegungseingeschränkten Menschen die Teilhabe zu erleichtern, indem der Umgang mit dem Rollator gezielt geübt wird. Joepje erzählt: „In Gesprächen hören wir immer wieder, wie sehr die Unsicherheit im Zusammenhang mit Hindernissen, wie z. B. Treppenstufen oder das Einsteigen in Bus und Bahn, das tägliche Leben beeinflusst. Das kann und darf nicht sein, darum gebe ich meine Idee nicht auf, bis sich irgendwie und irgendwo eine Möglichkeit zur Umsetzung gefunden hat.“
Die nächsten Pläne in den eigenen vier Wänden? „Da lasse ich mich gerne von den Ideen meiner Frau überraschen“, lacht Kalle Templin mit einem liebevollen Blick auf sein Gegenüber. „Mit Joepje bleibt das Leben bunt – und jeder Tag ein echtes Abenteuer.“