Was ist das Reizvolle an Ihrer Arbeit?
OELMANN: Ich freue mich jedes Mal, wenn wir helfen und für Verbraucher etwas bewegen können. Und dann sind da natürlich noch die großen Erfolge der Verbraucherzentrale als Institution. Ein eben solcher Fall war der eines älteren Herrn, der seit einer „Kaffeefahrt“ für Nahrungsergänzungsmittel fast 10.000 Euro an ein Unternehmen gezahlt hatte. Ein klarer Fall von „Abzocke“. Seine Tochter kam auf uns zu, wir rieten zur Anzeige und machten den Fall gemeinsam publik. So konnte Schlimmeres verhindert und andere Verbraucher konnten vor der Masche sowie vor dem Unternehmen gewarnt werden.
Gehören Dramen dieser Art zum Tagesgeschäft der Verbraucherzentrale?
OELMANN: Zum Glück nicht! Oft geht es darum, ob die Versicherung im Schadenfall zahlt, die Immobilienfinanzierung oder der Energieverbrauch passt. Ein Schwerpunkt unserer Arbeit ist das Verbraucherrecht, also Ärger mit dem Mobilfunk- oder Fitnessstudiovertrag und Ähnlichem. Relativ häufig befassen wir uns auch mit den Folgen von Telefon- oder Haustürgeschäften.
Was raten Sie vor dem Abschluss eines solchen?
OELMANN: Seien Sie auf der Hut! Oftmals handelt es sich um geschulte Vertreter, die darin geübt sind, den Überraschungseffekt an der Tür oder am Telefon auszunutzen. Sie als Verbraucher haben nicht die Möglichkeit, Verträge zu vergleichen, sind unvorbereitet und dadurch empfänglicher für die Anpreisungen des Vertreters.
Meine Tipps:
• Lassen Sie einen Vertreter gar nicht erst in die Wohnung.
• Ruft ein Ihnen unbekanntes Unternehmen zu Werbezwecken an, ist der Telefonanruf unzulässig. Legen Sie auf.
• Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen und zahlen Sie nie per Vorkasse.
• Unterschreiben Sie nichts, was Sie nicht verstehen.
Wurde bereits ein Vertrag an der Haustür oder am Telefon abgeschlossen, ist dieser zwar wirksam, aber Sie können ihn widerrufen. Sie sind dann nicht mehr an den Vertrag gebunden. Die Widerrufsfrist beträgt mindestens 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, aber nicht bevor Sie die Ware erhalten haben und der Unternehmer Sie über das Widerrufsrecht informiert hat.
Welcher Art von Betrugsfällen begegnen Sie derzeit häufig?
OELMANN: Ärger mit einer Inkasso-Forderung, denen oft gar keine berechtigte Forderung zugrunde liegt. Häufig drohen die Unternehmen mit gerichtlicher Durchsetzung der Ansprüche, unseriöse Unternehmen gar mit Lohn- und Gehaltspfändung oder Hausbesuch zur Pfändung von Wertsachen. Empfänger fühlen sich dadurch genötigt zu zahlen. Ich habe erlebt, dass ein älteres Ehepaar eine Inkassoforderung aufgrund einer „angeblich“ widerrechtlichen Handlung im Internet leistete, ohne überhaupt einen Internetzugang zu haben. Klingt skurril, ist aber tatsächlich so passiert. Hier wird mit dem Unwissen, der Verunsicherung und der Angst der Leute gespielt. Mit dem „Inkasso-Check“ bieten wir eine erste Hilfestellung im Netz. Verbraucher, die eine Inkassoforderung erhalten haben, werden online durch eine Reihe von Fragen geführt. Am Ende erhalten sie eine individuelle rechtliche Erstinformation zu ihrem Fall sowie, falls nötig, einen eigens generierten Brief an das Inkassounternehmen. Handelt es sich um komplexe Sachverhalte oder bleiben nach Nutzung von www.inkasso-check.de Fragen offen, können Verbraucher sich direkt an uns wenden und eine unabhängige, persönliche Beratung in Anspruch nehmen.
In welchen Fällen kommt man am besten direkt in eine Ihrer Beratungsstellen?
OELMANN: Wenn jeder Tag zählt! Das ist zum Beispiel bei der Androhung einer „Energiesperre“ der Fall, also wenn der Strom abgestellt werden soll. Dann helfen wir schnell, unbürokratisch und kostenlos. Im ersten Schritt mit dem Versuch der Abwendung der Sperre. Danach mit einem umfassenden Check des Budgets und einer Beratung zum individuellen Einsparpotenzial.
Was könnten wir alle leicht optimieren?
OELMANN: Die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher könnten sich im Versicherungsbereich besser aufstellen. Viele Policen sind alt, überteuert und sichern den tatsächlichen Bedarf nicht (mehr) ab. Oder: Es werden zahllose Zusatzversicherungen gehortet, deren Sinn fragwürdig ist. Gleichzeitig fehlen wichtige Versicherungen, zum Beispiel eine private Haftpflicht- oder eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Eine Hausratversicherung kann ebenfalls sinnvoll sein. Ein Check der Ausgangslage, also die Klärung der Frage, welche Versicherungen brauche ich, welche nicht?, sowie die Prüfung der bestehenden Verträge auf Sinnhaftigkeit, spart im Endeffekt oft bares Geld.
Gibt es Besonderheiten in Bremen und Bremerhaven?
OELMANN: Traurige Wahrheit ist – Abzocker gibt es überall! Das Gute am kleinsten Bundesland ist, dass wir tolle Lösungen haben und aufgrund der buchstäblich kurzen Wege von einem sehr guten und schnellen Austausch mit Anbietern und Institutionen profitieren. So sind schnelle Entscheidungen sowie erfolgreiche Kooperationen möglich. Komplett „bremisch“ ist auch unsere Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmerkammer. Beschäftigte im Land Bremen zahlen für Beratungen der Verbraucherzentrale zu arbeitnehmernahen Themen wie Altersvorsorge, zusätzliche Krankenversicherung oder Berufsunfähigkeitsrente nur die Hälfte des Beratungsentgeltes. Die Arbeitnehmerkammer übernimmt den Rest. Auch das Modellprojekt „Verbraucherberatung im Quartier“ mit kostenloser Rechtsberatung ist ein tolles Bremer Angebot.
Haben Sie noch einen ganz persönlichen Verbraucher-Tipp zu Weihnachten und dem anstehenden Jahreswechsel?
OELMANN: Ganz persönlich? Treten Sie auf die Konsumbremse, denn Ihre Zeit ist unbezahlbar. Darüber hinaus gilt beim Verschenken von Gutscheinen: Achten Sie auf die Dauer der Gültigkeit. Bei „Gutscheinen gegen Leistung“, also z. B. einer Massage oder Ähnlichem, kann die Frist deutlich kürzer sein, als bei solchen „gegen Ware“. Im Januar der Klassiker: das Abo im Fitness-Center, das mit einer enormen Ersparnis für Kurzentschlossene lockt, Sie aber über Jahre an einen unkündbaren Vertrag bindet. Was dagegen hilft: aufmerksam sein! Lesen Sie immer das „Kleingedruckte“ sowie die AGB – oder kommen Sie damit zu uns! Natürlich am besten, bevor Sie unterschrieben haben. Aber auch danach beraten wir gerne und helfen, wo wir können.
Verbraucherzentrale e.V.
Seit über 50 Jahren informieren, beraten und unterstützen die Verbraucherzentralen (VZ) deutschlandweit als gemeinnütziger Verein – überparteilich und anbieterunabhängig – zu allen Belangen des Verbraucheralltags.
Finanziert wird die Arbeit aus öffentlichen Mitteln, Spenden sowie aus den Einnahmen aus Beratungen und dem Verkauf von Ratgebern.
Kostenlose Quartiersberatung*
Ohne Termin – einfach kommen!
Das Quartiersangebot der Verbraucherzentrale bietet eine kostenlose, unabhängige Rechtsberatung, beispielsweise zu den Themen: Mobilfunk, Internet, Gewährleistung, Mahnungen sowie Inkasso in drei Quartieren:
• Bürger- und Sozialzentrum Huchting
Amersfoorter Straße 8, 28259 Bremen: dienstags 12:00 –15:00 Uhr
• Gesundheitstreffpunkt West
Gröpelinger Stadtbibliothek, Lindenhofstraße 53, 28237 Bremen: freitags 14:00 – 17:00 Uhr
• „die theo“
Lutherstraße 7, 27576 Bremerhaven-Lehe: donnerstags 13:00 – 17:00 Uhr
*gefördert durch die Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz
Kostenlose Beratung der Verbraucherzentrale Bremen:
• Ernährungsaufklärung
• Rundfunkbeitragsberatung in Kooperation mit dem NDR
• Energiebudgetberatung in Kooperation mit der swb
Verbrauchercafé:
Bei Kaffee und Tee tauschen sich die Fachberater mit interessierten Verbraucherinnen und Verbrauchern zu wechselnden Themen aus.
Wann? In Bremen am letzten Mittwoch, in Bremerhaven am letzten Montag im Monat – jeweils um 16:00 Uhr.
Weitere Infos, Musterbriefe, Ratgeber, Terminservice & Preisliste unter: www.verbraucherzentrale-bremen.de
Zum Beispiel finden Sie hier einen Widerrufsmusterbrief bei unüberlegt abgeschlossenen Strom- und Gasverträgen an der Haustür.