Wahl-Verwandtschaft: Mit- und Füreinander

Sie leihen uns eine Packung Mehl, übernehmen das Blumengießen, unterstützen beim Kistentragen sowie als spontaner Baby- oder Hundesitter. In unserer neuen Rubrik „Lieblingsnachbarn“ wollen wir die ehren, die schon im Kleinen Großes bewirken.

Seit nunmehr 46 Jahren lebt Renata Krause in Bremen-Vegesack in einer Wohnung im zweiten Obergeschoss eines Acht-ParteienHauses. Während dieser Zeit hat die heute 76-Jährige unzählige Nachbarn kommen und gehen sehen.

Eine Begegnung, die ihr Leben veränderte, war die mit Midia Othman. „Midia war gerade in der Wohnung neben mir eingezogen, als wir uns im Hausflur über den Weg liefen“, erinnert sich die fröhliche Rentnerin. „Und sie lud mich direkt auf einen Kaffee zu sich ein, was ich unheimlich gerne annahm, auch wenn wir uns die meiste Zeit nur mit Händen und Füßen verständigten.“ Der Grund: Erst ein Jahr zuvor war Midia Othman allein mit ihren damals vier und fünf Jahre alten Kindern aus Syrien geflohen – vor den Unruhen im Land und ihrem gewalttätigen Ehemann. Nach ersten Notunterkünften in verschiedenen Frauenhäusern bezog die dreiköpfige Familie 2016 ihre erste eigene Wohnung im Vegesacker Ortsteil Aumund-Hammersbeck.

Ich ein Alltagsheld? So ein Quatsch! Ich sehe nicht weg, das ist alles.

Midia Othman

Geben und Nehmen – in perfekter Harmonie

Schnell entwickelt sich zwischen den beiden Frauen eine vertrauensvolle Freundschaft und Renata Krause begleitet die heute 31-Jährige zu Terminen bei Behörden, Ärzten oder der Schule. Sie hilft beim Ausfüllen von Anträgen und dem Zurechtfinden im Stadtteil.

Als vor drei Jahren Renatas Mann verstirbt, werden die Othmans endgültig zur Ersatzfamilie der kinderlosen Bremerin. Nun ist es Midia, die hilft, auf Leitern steigt, schweres Geschirr aus Hängeschränken balanciert oder einfach mal auf einen Plausch vorbeischaut. Renata Krause: „Die Kinder sagen Oma zu mir, ein Gefühl, das ich um nichts in der Welt missen möchte.“

Der Unterschied zwischen einem Haus und einem Zuhause

Überhaupt sei der Zusammenhalt im Hause das, was das Wohnen hier so angenehm mache. Krause: „Wir alle leben unter einem Dach, achten aufeinander und sind da, wenn jemand Hilfe braucht. Hier schaut keiner weg. Und wenn ich Kuchen backe oder Marmelade koche, dann für alle! Ich finde, das ist es, was den Unterschied macht, zwischen einem Haus und einem Zuhause – dieses Gefühl einer vertrauensvollen Gemeinschaft.

Midia Othman (31), gelernte Friseurin und leidenschaftliche Malerin, absolviert gerade einen Deutschkurs, träumt von einem festen Job, einer glücklichen Zukunft für ihre zwei Kinder und (insgeheim) von einer Ausstellung ihrer Kunstwerke.

 

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