Weser-Boxring: Schach und ein bisschen Fechten

Im tiefsten Bremerhaven versteckt sich eine kleine Institution: der Weser-Boxring. Eine Geschichte über Seelensport, junge Profis und familiären Zusammenhalt.

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Rau. Leidenschaftlich. Familiär. Das sind die drei Adjektive, die den Bremerhavener Weser-Boxring womöglich am treffendsten beschreiben. Für die Trainer, Vorsitzenden und Mitglieder des Vereins ist Boxen nicht nur ein Leistungssport. Es ist ihr Leben. Wer hier trainiert, wird Teil einer großen Familie. Die füreinander einsteht. Einander befeuert. Gemeinsam kämpft. Im Ring – und außerhalb.

Es ist Montag, 18 Uhr. Heute Abend trainieren die Leistungsträger des Vereins. Rund 25 Sportler sind in der großen Halle, um an ihrer Leistung zu arbeiten. Ausgleich zu finden. Sich gut zu fühlen – währenddessen und im Anschluss. „Wir sind gerade zurück von den deutschen Meisterschaften, haben Bronze geholt”, erzählt Mohammed Zaher, Cheftrainer des Vereins. Zaher ist bereits seit 1987 Mitglied im Verein. Durch seinen Bruder, ebenfalls ein erfolgreicher Boxer, ist er damals zum Boxsport gekommen. Der 45-Jährige hat endlich seine B-Lizenz in der Tasche. Und zeigt heute, was seine Besten so können.

Vom Boxfieber ergriffen
Darunter: der 14-jährige Mohammed Ciftci. Man bemerke: Das Durchschnittsalter liegt deutlich höher. Doch Mohammed ist nach vier Jahren im Verein so gut, dass er schon bei der Elite mitboxt. „Ich mag Boxen”, erzählt er mir, als er sich die Hände bandagiert. „Es macht Spaß und ich habe größere Gegner”, sagt der Schüler aus Bremerhaven. „So kann ich mich besser steigern.”

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Ich mag Boxen. Es macht Spaß und ich habe größere Gegner. So kann ich mich besser steigern.

Mohammed Ciftci (14)

Erster Vorsitzender des Vereins ist seit letztem Jahr Marco Blome, der das Training heute ebenfalls begleitet. Der 48-Jährige hat früher Karate gemacht. „Da war einer, der schon geboxt hat”, erinnert sich Blome. „Ich hatte sehr viel Respekt vor dem Sport, bin aber doch irgendwann mitgegangen – und hängengeblieben, weil das Boxfieber mich ergriffen hat”, sagt er. Seitdem sind 23 Jahre vergangen. Mittlerweile sei er zu alt für Wettkämpfe geworden, meint er augenzwinkernd. „Im Alter bringt das nichts mehr”, sagt er. „Bei Amateuren ist ab 40 Jahren Ende.”

Boxen generell sei ein Einzelsport, erklärt Cheftrainer Zaher. „Der Trainer ist zwar mit im Ring, gibt Handlungsanweisungen und stellt den Kämpfer auf den Gegner ein – aber am Ende muss man das allein durchziehen.” Das werde alles im Training geübt. „Man lernt hier zu kämpfen und wie es ist, wenn man in den Ring steigt”, so Zaher. Professionell nenne man das Sparring.

Dank der GEWOBA gut aufgestellt
Doch ohne die GEWOBA als Hauptsponsor wäre der Verein nicht ansatzweise so gut aufgestellt. „Zum Glück unterstützt uns die GEWOBA”, sagen die beiden. Ohne diese Partnerschaft würde der Verein nur sehr schwer zu tragen sein. „Alleine unser Gebäude – Wer kann schon sagen, dass er so eine tolle Halle hat?”, schwärmen Zaher und Blome. Wenn man das mit anderen Stützpunkten, zum Beispiel in Hannover, vergleiche, dann seien sie ausstattungsmäßig schon sehr weit vorne. „Wir sind schon sehr dankbar dafür und die Lage in Bürgerpark Süd ist für uns auch optimal.”

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Zum Glück unterstützt uns die GEWOBA. Ohne diese Partnerschaft würde der Verein nur sehr schwer zu tragen sein.

Mohammed Zaher & Marco Blome

Zaher und Blome sind beide gebürtige Bremerhavener. Die Arbeit im Verein sei zwar (noch) nicht ihr Hauptjob, aber eine „24-Stunden-Mentalaufgabe”, sagt Blome. „Wir reißen so viel wir können. Und versuchen auch, so viele Leute wie möglich hierher zu bekommen, die uns helfen. Doch heutzutage ist es nicht ganz einfach, Ehrenamtliche zu gewinnen”, bedauert er. Mittlerweile zählt der Weser-Boxring rund 280 Mitglieder, darunter fast 80 Frauen. „Unser Verein ist alles andere als ein Herrenclub. Jeden Dienstag um 17 Uhr gibt es sogar ein Training ausschließlich für Frauen.”

Weder das Geschlecht, noch die Nationalität oder das Alter spielen im Verein eine Rolle. „Wir haben auch eine Gruppe mit Rentnerinnen”, sagt Zaher. „Sie tanzen jeden Mittwoch in unserem kleinen, zweiten Kursraum.” Blome: „Wir wollen jetzt auch einen Tabata-Kurs einführen, um ein paar Workouts anzubieten, die nichts mit Boxen zu tun haben.” Die Halle habe so gute Bedingungen, das müsse man einfach nutzen. Eine Sauna gebe es sogar auch.

Wie eine große Familie
Der monatliche Grundpreis für eine Mitgliedschaft im Weser-Boxring kostet 21 Euro. Für einen Zusatzbeitrag von sieben Euro könne man allerdings noch andere Abteilungen dazu wählen. „Für 28 Euro kann man alles mitmachen”, sagt Zaher. „Krafttraining, Boxtraining, Kickboxen. Und auch die Sauna kann jeder benutzen”, sagt er.

Was man noch bekommt: Zugehörigkeit. „Boxen ist wie eine große Familie”, sagt Blome. „Nicht nur innerhalb unseres Vereins in Bremerhaven, sondern in ganz Deutschland und auf der Welt.” „Genau”, bestätigt Zaher. „Auch wenn jemand private Probleme hat oder krank ist, hilft man.”

Auch der Geist wird geschult
Blome erklärt: „Jeder Mensch kann mit dem Boxtraining etwas Gutes für sich tun. Der Geist wird hier definitiv auch geschult.” Das kann ich, Autorin und selbst seit zwei Jahren stolze Boxerin, bestätigen. Ich kann kaum glauben, wie viel Kraft und Ausdauer ich durch das regelmäßige Training schon gewonnen habe. Mein Auftreten ist viel selbstbewusster, meine Haltung verbessert. Man eignet sich Reaktionsschnelligkeit an, erlangt körperliche Stärke und lernt, sich zu verteidigen – und das wirkt auf andere. Beim Boxen kann ich Stress abbauen und schlechte Laune ausgleichen.

Auch Ruslan Saripov weiß, was er am Boxen hat. Der heute 23-Jährige hat seine erste Karriere im Boxen bereits beendet. Ist von Weimar nach Bremerhaven gezogen, hat eine Ausbildung gemacht und eine Familie gegründet und will jetzt wieder voll einsteigen. Cheftrainer Zaher über das junge Talent: „Er war früher Boxer und Sportler des Jahres. Dann hat er ein paar Jahre pausiert – er ist trotzdem ein Kandidat für die Bundesliga.

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Es ist ganz viel Kopfsache beim Boxen. Kein stumpfes Reinrennen, sondern so wie Schach. Schach und ein bisschen Fechten. Deswegen macht es auch so viel Spaß.

Ruslan Saripov (23)

„Angefangen habe ich mit sechs”, erinnert sich Saripov. „Ich habe mir einen Boxsack zu Weihnachten gewünscht. Ein wenig später wurde ich zu meinem ersten Training in eine alte Halle mitgenommen. Mein damaliger Trainer hat mich sofort dort behalten. Er hat mich ins Herz geschlossen und gesehen: Aus dem wird was.” Was Saripov das Boxen bedeutet? „Man kann sich übertrieben gut konzentrieren. Auf die Aufgabe, die man hat. Auf das kontrollierte Schlagen. Es ist ganz viel Kopfsache beim Boxen. Kein stumpfes Reinrennen, sondern so wie Schach. Schach und ein bisschen Fechten. Deswegen macht es auch so viel Spaß.” Beim Spazierengehen habe er den Weser-Boxring entdeckt. „Der Verein hat eine schöne Halle. Ich war schon überall – Berlin, Köln, Frankfurt. Aber so eine schöne Halle wie hier hat keiner.”

Und das Training? Das sei viel besser als in einem Fitness-Studio. „Man kennt sich, findet Freunde und unternimmt auch nach dem Boxen noch etwas gemeinsam”, erzählt Saripov. Es mache Spaß und sei ein familiärer Zusammenhalt. „Die Trainer sind top. Und auch außerhalb des Trainings kümmern sie sich um einen. Wenn man Probleme hat oder aufgebaut werden muss.”

Neugierig geworden? Ein Probetraining ist jederzeit möglich. Mehr als normale Sportsachen und Hallenschuhe benötigt man zum Boxen anfangs nicht. Bandagen und Boxhandschuhe gibt es im Verein. Die ansteckend gute Laune auch.

www.weser-boxring.de